Funkenfeuer und Winteraustreibung
Das aus dem Mittelalter stammende Brauchtum des Funkenfeuers wird fälschlicherweise oft in die Rubrik eingeteilt: Verbrennung des Winters bzw. Vertreibung böser Dämonen. Dieser in der europäischen Ethnologie (früher Volkskunde) sogenannte mythologische Ansatz ist so gut wie quellenlos und weitgehend spekulativ. Er wurde jedoch gerade von den Nationalsozialisten dankbar aufgenommen und missbraucht. Archaisch anmutende Bräuche wurden bewusst als germanisch-heidnisch missdeutet und pseudoreligiös als Vertreibungsritual von Dämonen bzw. des Winters postuliert. Die durch eine Vielzahl an schriftlichen Quellen bestens nachzuweisende christliche Wurzel des Brauches wurde hingegen bewusst ignoriert und negiert. Die Forschungen der europäischen Ethnologie haben diesen mythologischen Deutungsansatz des Funkenfeuers als etwa auch der Fasnacht eindeutig widerlegt. Leider hält sich die falsche Deutung der mythologischen Winteraustreibung bis heute beinahe unausrottbar. Viele Brauchausübenden selbst, die Presse und neuerdings die Touristiker sind von der urtümlich germanischen oder einer sich hinzugesellenden keltisch-druidischen Deutung überzeugt. Alleine ein Wahrheitsgehalt ist damit nicht verbunden.
Funken und Fasnacht
Vielmehr ist das Funkenfeuer nachweisbar verbunden mit der Fasnacht, also den letzten Tagen vor dem Beginn der 40-tägigen österlichen Fastenzeit. Ursprünglich war nämlich am heutigen „Funkensonntag“ das Ende der Fasnacht, der Sonntag „Invocavit“. Schon früh beschloss ein Konzil, dass die Sonntage der Fastenzeit als kleine „Osterfeste“ nicht zur Fastenzeit zu zählen seien. Um quantitativ die 40 Tage der Fastenzeit bis zum Osterfest halten zu können, rückte man den Beginn der Fastenzeit und damit das Ende der Fasnacht von Sonntag Invocavit nach vorne auf den heutigen Aschermittwoch. Das alte Ende der Fasnacht, das schon 1090 n. Chr. im christlichen Benediktinerkloster Lorsch erstmals mit einem Feuerbrauch nachweisbar wird, blieb jedoch weiter in vielen Regionen erhalten bis auf den heutigen Tag und wird hierzulande als Funkensonntag bezeichnet, in Frankreich „dies focorum“ oder „jour des brandons“. Gut sehen kann man den Zusammenhang des Funkensonntags mit der Fasnacht etwa am sogenannten „Funkenring“, einem klassischen Gebildbrot, das ja am Funkensonntag gespeist wird, bzw. um das man würfelt. Diese Funkenringe weisen eindeutig auf das fasnächtliche Gehabe mit bretzel- und ringförmigen, eierhaltigen Feinbroten, wie sie in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht allgegenwärtig sind.

Die Funkenhexe als eine Reminiszenz an die Hexenverfolgung?
Um es gleich voraus zu sagen: Die Figur, die auf dem Funkenfeuer verbrannt wird, hat in keiner Weise etwas mit den schrecklichen Feuern der Hexenverfolgungen zu tun, sondern ist vielmehr das Verbrennen der symbolisierten Fasnacht. Ab dem Ende des 15. Jahrhundert wird das zeichenhafte Verbrennen einer Strohpuppe üblich, die die personifizierte Fasnacht darstellen sollte. Der Narr ist im Mittelalter der gottabgewandte, gottvergessene Mensch bzw. die Fasnacht ist die gespielte gottabgewandte Zeit im dualistischen Gegenüber zur heilsorientierten Fastenzeit, die sich Gott zuwenden soll. Diese Figur der Fasnacht wird also auf dem Funken verbrannt, ist geradezu der theatralisch gespielte wenn auch makabre innere Sinn des Feuers. Dass daraus in vielen Fällen eine Hexe geworden ist, ist eine Brauchentwicklung, die zwar im ursprünglichen Deutungshorizont sehr wohl verstanden werden kann, die aber – wo diese Deutung nicht mehr vorhanden ist – durchaus auch missverständlich als Frauenverbrennung falsch interpretiert werden könnte. Um es noch einmal zu unterstreichen: In jedem Fall ist es eben keine Frauengestalt, die im unseligen Zusammenhang der Hexenverfolgung steht.
von Stephan Wiltsche